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2021/06/29

Thees Uhlmann - Kulturinsel Wöhrmühle (31.08.2020)

10 Monate sind seit meinem letzten Konzert vergangen. Weiterhin lässt uns die Pandemie Hoffen und Bangen. Zwischen Vorfreude auf einen (coronakonformen) Konzertsommer und der Angst vor der vierten Welle. Ich weiß nicht, was uns noch erwartet, doch ich kann auf ein unvergessliches Konzert im vergangenen Sommer zurückblicken:

Was für ein Abend! Am Nachmittag hörte ich mich noch sagen: "Ich fühle mich heute gar nicht nach Konzert." Ein Glück, dass ich mich dennoch in den Zug nach Erlangen setzte. Schon auf dem Weg zum Konzert begann mein Herz zu hüpfen als ich mir vorstellte in wenigen Minuten endlich wieder Thees auf der Bühne zu lauschen. Dabei war mir nicht klar, dass er meine Erwartungen an seine "Songs & Stories" Tour sogar noch übertreffen würde.

Während wir bei Sarah Lesch drei Wochen zuvor noch freie Platzwahl hatten, wurden am Einlass diesmal die Plätze zugewiesen. Auf Nachfrage ist diese Vorgehensweise ab 200 Leuten vorgeschrieben. Ich muss gestehen, dass ich Gefallen an diesen Regelungen finde - eine Entscheidung weniger, die von mir zu treffen ist. Zwar war mein Platz von einer Gruppe belegt, ich konnte jedoch unkompliziert tauschen und war mit meinem Platz am äußersten Rand der Reihe 10 sehr zufrieden.

Um 19:45 Uhr trat Thees dann auf die Bühne und begann sich zu bedanken. Zum einen dankte er den Organisatoren, die sich in diesen besonderen Zeiten dazu entschlossen hatten, das Mini PopUp Open Air auf die Beine zu stellen, und die sagen: "Hier sind die Regeln und wir machen jetzt wieder Kunst und Kultur." Zum anderen dankte er dem aufrichtigen Publikum, das diese Regeln in Kauf nahm. 

Alles was danach kam, lässt sich nur schwer in Worte fassen, kurz:

"Beim gestrigen Abend mit Thees fühlte ich mich direkt 10 Jahre jünger, dabei war ich keine 48 Stunden unterwegs, sang die ganze Zeit von dir und im Radio kam ein Liebeslied. Das ist dann wohl die Schönheit der Chance, dass wir unser Leben lieben so spät es auch ist." (@_herzklangbar)

In der Annahme, er würde vor allem aus seinem aktuellen Buch über Die Toten Hosen lesen, war ich seelig als er einen Song nach dem anderen spielte. Doch auch, wenn er nur erzählte, z. B. vom Spotify Tennis mit seiner Tochter, war der Unterhaltungsfaktor wie immer hoch. Als Grund, warum er entgegen der Angabe auf dem Konzertticket nicht las, gab er an: "Ich kann nicht mehr vorlesen. Ich habe alles erreicht was man in Deutschland erreichen kann." (Stichwort: Kirche Hemmoor)

"Wir lassen uns nicht vorschreiben, was wir spielen", kommentierte er die Musikwünsche, die vorab über soziale Netzwerke eingegangen waren. Dabei spielte er Songs, die mich wunschlos glücklich machten und in vergangene Zeiten zurückversetzten, z. B. auf die Trabrennbahn Bahrenfeld zum 10. Jubiläum vom Grand Hotel Van Cleef, u. a. mit Tomte und der Hansen Band.

Thees riss sein Publikum mit, coverte für den einzigen Mitmachteil des Abends Marteria und bat die Hände nach oben zu nehmen, denn: "An den Händen ist kein Corona." Neben Nightliner Stories, Erzählungen von Fernsehkäufen in Erlangen, Anekdoten zu Dynamo Dresden, Irish Pub Besuchen und der Schnullerentwöhnung bis halb vier in der Nacht ("Ich quengel auch, wenn kein Bier da ist.") konnte sich Thees auch ein paar regionale Seitenhiebe nicht verkneifen, wie "Dunkle Seiten erkennen und monetarisieren - der Spruch ist von Siemens gesponsort." Oder: "Normalerweise - wenn wir hier gespielt haben, haben sich die Leute aus Nürnberg und Fürth gekloppt (...) So geil wie Braunschweig gegen Hannover werdet ihr eh nie sein!"

Auch wenn ich trotz fehlender Begleitung ("Hab auch keine Freunde.") keinen lebenslangen Gästelistenplatz angeboten bekam, hat mich der Typ, der Rockmusik mit deutschen Texten macht, und als deutschsprachiger Sänger am häufigsten in Erlangen aufgetreten ist, in diesen komischen Zeiten menschlich ("Ich rauche, weil ich aufgeregt bin in aufregenden Zeiten. Morgen höre ich auf, aber heute nicht.") wie musikalisch wieder vollends überzeugt.

"Angela, zieh noch 4 Jahre durch", sagte er als Punk auf der Bühne. Ende August 2020 hätte ich ihm voll zugestimmt. Heute weiß ich, dass Deutschland einen Wechsel braucht, und die Kinder nicht weiter die Leidtragenden der Pandemie sein dürfen, nur weil sie keine Lobby haben. (Ja, in diesen Zeiten kann ich auch beim Schreiben eines Konzertberichtes nicht nicht politisch sein.)

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