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2017/02/19

Elif - MUZclub Nürnberg (17.02.2017)

Vor etwas mehr als drei Jahren legte mir eine Freundin das Debütalbum von Elif ans Herz. Tatsächlich gefiel es mir gut, doch wirklich intensiv befasste ich mich nicht weiter mit der Künstlerin. Stets auf der Suche nach Konzerten mit dem gewissen Etwas wurde ich Ende letzten Jahres aber auf ihre Akustiktour aufmerksam...

Ich erwartete ein ruhiges Konzert mit nachdenklichen Texten wie ich es hier und da bei Phela erlebt hatte - die zur selben Zeit übrigens Dirk von Flockes Plattenkiste im Elchkeller Hannover besuchte. Tatsächlich ist der musikalische Vergleich zu Phela gar nicht so weit hergeholt. Doch an diesem Abend schaffte es Elif meine Erwartungen sogar noch zu übertreffen. Ich habe schon unzählige Konzertberichte verfasst, doch diesmal fehlen mir die Worte adäquat auszudrücken, was dieses Konzert in mir ausgelöst hat. Diese Frau hat mich richtig "geflashed" - ja, dieses neudeutsche Wort drückt irgendwie am besten aus, was ich während des Konzertes empfand, weil es noch ein bisschen mehr beinhaltet als nur "beeindruckt" und "begeistert". Aber fangen wir von vorn an:

Kurz vor halb neun erreichte ich den MUZclub - übrigens mag ich es gar nicht allein als Frau diesen dunklen Hinterhof reinzugehen, aber gut: Nichts passiert. Am Einlass schnappte ich die Worte "bis 23 Uhr" auf und fragte entgeistert nach. Witzig. Bevor ich ein Kind hatte, wäre ich in die Luft gesprungen, wenn ein Konzert so lange gegangen wäre. Diesmal erschrak ich, wollte ich meine Liebsten doch nicht so lange allein lassen. Als man mir auf Nachfrage "Halb elf" sagte, war ich etwas beruhigter und bereit, mich auf diesen Musikabend einzulassen.

Etwa 10 Minuten nachdem ich den MUZclub betreten hatte, eröffnete Fayzen den Abend. Seine Musikrichtung würde ich als "Sprechgesang" bezeichnen. Stimme, Texte und seine Art gefielen mir. Für den Moment. Da er insbesondere die Trennung von seiner Freundin verarbeitet, waren mir die Songs teilweise jedoch etwas zu deprimierend, sodass ich ihn mir wohl nicht weiter intensiv anhören werde, auch wenn er oft eine zuversichtliche Pointe bereit hielt. Aber hey, bereits bei Fayzen fiel mir das unglaublich aufmerksame Publikum auf. Kein Getuschel, jeder schien sich auf die Musik einzulassen und hörte zu, was Fayzen zu sagen hatte. Warum nicht immer so?!

Nach einer wirklich kurzen Umbaupause stand Elif zusammen mit Multitalent Tim Morten, der zuvor schon Fayzen auf der Gitarre begleitete, auf der Bühne. Ich stand weiter hinten, sodass ich nur selten einen Blick auf sie erhaschen konnte. Doch das tat dem Erlebnis dieses Livekonzerts keinen Abbruch: Ihre Stimme - und um die ging es mir - erfüllte den ganzen Raum, der gleichnamige Song zur "Auf halber Strecke Akustiktour" berührte und entsprach dem, was ich vom Konzert erwartet hatte. Ja, und dann begann sie, eben diese Erwartungen zu übertreffen...

Vor jedem Song erzählte sie etwas, oft sehr persönlich, manchmal witzig,  gelegentlich schon fast vulgär - aber immer auf den Punkt. Sie schaffte es das Publikum auf die Reise in ihre Gefühlswelt mitzunehmen und es gleichermaßen so mitzureißen, dass man das Gefühl hatte auf einer stimmungsvollen Party zu sein, die das Wochenende einläutet, statt auf einem Akustikkonzert. Na klar, es gab ja auch einen Geburtstag zu feiern: Ihre neue Single "Doppelleben" erschien an diesem Tag. Elif zeigte sich sichtlich stolz auf dieses Werk. Und auch bei vielen anderen Songs spürte man, wie viel ihre Songs ihr bedeuten, wie viel Herzblut hinter jeder einzelnen Zeile steckt.

Aber auch Songs anderer Künstler stehen ihr gut, so coverte sie "Ich weiß nicht zu wem ich gehöre" von Marlene Dietrich. Fayzen kam auch noch mal auf die Bühne, um mit ihr zwei Duette zu spielen. Anschließend gab sie noch drei Zugaben zum Besten. Vor dem letzten Lied bat sie das Publikum am Ende zunächst nicht zu klatschen, sodass sie den Song noch kurz im Moment wirken lassen könnte. Sie sagte es VOR dem Song. Und es schien jeder ihre Worte gehört und verinnerlicht zu haben, denn als ihre Stimme verstummte, war kein einziges obligatorisches Klatschen zu hören. Jeder im Raum erfüllte ihren Wunsch und erst nachdem sie ein Zeichen gab, bekam sie den Applaus, den sie verdiente. Ich bin noch immer fasziniert. Ein Publikum, das sowohl aufmerksam lauscht und damit nachdenklichen Songs so viel Würde verleiht. Aber auch klatscht, jubelt, mitsingt, gröhlt, lacht und Sprüche reißt ("Der Tim macht das schon!"), wenn auf der Bühne zum Mitmachen animiert wird.

Da ich mir während des Konzerts nicht wirklich Notizen gemacht habe und vieles wohl sowieso der Situationskomik entspricht, habe ich darauf verzichtet jeden witzigen Spruch, jede Anekdote von Elif niederzuschreiben. Trotzdem hoffe ich, dass es mir gelungen ist, ein wenig wiederzugeben, warum mich dieses Konzert, diese Künstlerin, dieses Publikum - einfach alles - so dermaßen "geflashed" hat. Im Herbst kommt die 24-Jährige (so jung, und so ein starkes Selbstbewusstsein) wieder auf Tour, dann leider nicht ganz so klein und intim, weshalb ich froh bin, diese Chance genutzt zu haben. Ach ja, das Konzert ging übrigens bis 23:13 Uhr... Wow!

Am 26. Mai 2017 erscheint ihr zweites Album. Die Vinyl kann man leider noch nicht vorbestellen. Schade, denn in Zeiten, in denen zwar mehr mp3s als CDs gekauft werden, scheinen Musikliebhaber die Vinyl für sich wieder zu entdecken. Da haben die Plattenfirmen Nachholbedarf.

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