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2020/07/25

Kettcar - Staatstheater Braunschweig (25.01.2020)

Kettcar. Eine Liebe, die unter Garantie nie zu Ende geht. Auch wenn nun wieder eine längere Pause kommt. Hannover, Hildesheim, Bielefeld, Hamburg, Eltville, Nürnberg, Dortmund, Erlangen. Oft habe ich Marcus Wiebusch mit Kettcar oder solo schon live erleben dürfen. Und jedes Konzert war für sich stets etwas Besonderes.

Kann man das bereits Erlebte noch toppen? Ja, man kann. Und wie? Indem man diese wunderbare deutsche Indie-Rock Band in einer ganz ungewohnten Umgebung auftreten lässt. Das Staatstheater Braunschweig scheint Erfahrung mit solchen Experimenten zu haben, standen dort im vergangenen Jahr bereits Tocotronic auf der Bühne.

Kurz nach Bekanntgabe der Termine für die "... und das geht so"-Tour zum gleichnamigen Live-Album hatte mein Mann mir bereits ein Ticket für Nürnberg als Weihnachtsgeschenk besorgt. Als dann später der Termin im Staatstheater Braunschweig ergänzt wurde, kam es zu einer Kurzschlusshandlung meinerseits: Ich sicherte mir zwei personalisierte Sitzplätze für mich und meinen Sohn. Ohne Rücksprache mit meinem Mann. Ohne zu wissen, ob ich meinen Sohn für die Musik begeistern könnte. Doch für mich stand fest: ICH WILL DA HIN!

Selbstverständlich hatte ich vorab den Spielplan des FSV Zwickau geprüft. Das Auswärtsspiel sollte in Magdeburg stattfinden, sodass mein Plan fast perfekt schien. Im nächsten Schritt konnte ich meinen Mann überzeugen, für einen Abend beide Kinder zu übernehmen, sodass ich Flockes Plattenkiste als Begleitung gewinnen konnte. Und schließlich war auch das Ticket für Nürnberg bald verkauft: Durch das Tragen von Shirts sympathischer Bands hatte sich im Laufe des Kindergartenjahres ein würdiger Abnehmer herauskristallisiert.

Dann war es soweit. 25. Januar 2020. Ein besonderer Abend stand uns bevor. Pünktlich traten die Intendanten auf die Bühne, um das heutige Gastspiel anzukündigen. Ganz wehmütig wurde ich als die 6-Jährige Greta als jüngster Kettcar Fan im Saal vorgestellt wurde. Ab und zu versuchte ich einen Blick zu ihr zu erhaschen und stellte mir vor, wie mein Sohn das Konzert wohl wahrgenommen hätte. Doch machen wir uns nichts vor: Es ist ein riesiger Unterschied, ob man von der Mama mitgeschleppt wird, oder aus eigener Motivation und mit vollem Herzen dabei ist.

Wie mein Herz wieder hüpfte als ein leises Klavierspiel begann und die Band unter tosendem Applaus auf die Bühne kam. Schließlich setzte eine bekannte Melodie ein und Kettcar begannen das Konzert mit "Volle Distanz". Diese Emotionen von Anfang bis Ende des Konzerts lassen sich schwer beschreiben - wer Gefallen an der Musik von Kettcar findet, muss sie einfach live erleben.

Früher tippte ich Notizen während des Konzerts ins Handy, aus denen später die Konzertberichte entstanden sind. Inzwischen bin ich dazu übergegangen, einige Sequenzen zu filmen - sofern ich dabei niemandem die Sicht versperre. Wie dankbar bin ich heute - sechs Monate später - für diese Aufnahmen. Beinahe hätte ich vergessen, welche außergewöhnliche Akustik und Stimmung im Saal herrschte. Ich schaue die Videos und es ist als würde ich das Konzert nochmal erleben.

Sechs Monate später ist die Welt eine andere als damals am 25. Januar 2020 im ausverkauften Staatstheater Braunschweig. Die Texte von Kettcar repräsentieren meinen Blick auf das Geschehen um mich herum so gut, dass ich mich entschieden habe, in diesen Bericht verstärkt Zitate einzubauen. So viele Themen, die mich in der heutigen Zeit beschäftigen: Solidarität, Rassismus, Gleichstellung - auf dass unsere Kinder sich eines Tages in einer besseren Welt wiederfinden, in der die Liebe stärker ist als der Hass: "Es wird der Tag sein, an dem wir die Liebe, die Freiheit und das Leben feiern. Jeder liebt den, den er will und der Rest bleibt still. Ein Tag, als hätte man gewonnen. Dieser Tag wird kommen." 

Wie das alles funktionieren soll, weiß ich nicht, muss ich auch nicht. Ich gebe einfach das Beste, was ich kann, denn:
"Keine einfache Lösung haben, ist keine Schwäche.
Die komplexe Welt anerkennen, keine Schwäche.
Und einfach mal die Fresse halten, ist keine Schwäche. 
Nicht zu allem eine Meinung haben, ist keine Schwäche.
Ich erklär' meinen Kindern, was ein guter Mensch ist. 
Mit Sätzen, die heutzutage sonderbar klingen.
Denk' an meinen Vater, hoff', dass ich besser bin.
Erhäufe mein Herz im täglichen Ringen."
Auch wenn ich Graceland an diesem Abend vermisste, präsentierten Kettcar in gut zwei Stunden eine gelungene Mischung aus ihrer 18-jährigen Bandgeschichte. Auf dieser Tour wurden sie von einem Bläser Trio begleitet - das passte wunderbar zu dem Ambiente im Staatstheater und verlieh einigen Songs noch mehr Ausdruck. Wie gewohnt waren die Ansagen von Reimer Bustorff mit viel norddeutschen Humor gespickt - auch die Fehde zwischen Braunschweig und Hannover ließ er nicht aus, und bedankte sich, dass die Hannoveraner den weiten Weg auf sich genommen hatten.

Lange schien das sehr gemischte Publikum eher verhalten "auf den (alles andere als) billigen Plätzen" zu verharren. Doch spätestens als Wiebusch für seinen Song "Der Tag wird kommen" zum sexy dancing aufrief, war das Eis gebrochen und vor allem vor der Bühne konnte man eine immer ausgelassenere Stimmung beobachten. Auf dem Rang sprang das Publikum bei "Landungsbrücken raus" von ihren Plätzen als hätte man einen Knopf gedrückt. Unvergesslich! In so einem schicken Ambiente mit Sitzplätzen wie im Staatstheater fällt das gleich noch mal mehr auf.

Am Schluss dann Marcus Wiebusch allein im Scheinwerferlicht "Braunschweig. Wenn wir uns länger nicht mehr sehen, vergesst uns nicht." Standing Ovation als er die ersten Töne vom 2002 erschienenen "Das Skateboard kriegt man Zahnarzt" auf der Akustikgitarre spielte. Nach und nach kam der Rest der Band auf die Bühne - was für ein Finale! Danke, Kettcar. "Badadadadada..."

"Wir wussten von Anfang an
Dort, wo alles begann
Wir sind am Ende allein
Aber alles muss sich reimen
Alles muss sich reimen."


Die Frage, ob ich wieder ein Kettcar Konzert besuchen würde, beantworte ich ohne zu Zögern mit: Logisch! Zumal die Aussicht von Marcus Wiebusch sehr vielversprechend klingt: "Wenn wir zurück kommen, werden wir ICH VS. WIR toppen." Ich freue mich drauf - lasst euch Zeit, vielleicht habe ich meine Kinder bis dahin zu kleinen Kettcar Fans herangezogen.

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