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2016/10/11

Reeperbahn Festival - Hamburg (21. - 24.09.2016)

Auch in diesem Jahr setzten wir unsere Tradition fort: Mit unseren Freunden, u.a. Dirk von Flockes Plattenkiste, ging es zum alljährlichen Reeperbahnfestival. Unsere Unterkunft hatten wir ja bereits im Jahr zuvor gebucht, weil es uns so gut in der Superbude gefallen hatte.

Erneut verzichtete ich auf das Early Bird Ticket und entschied mich erst mit der Veröffentlichung des Zeitplans dafür, zumindest für Samstag ein Tagesticket zu erwerben. Somit hatte ich wieder ein paar Tage, um mit meinem Sohn Hamburg zu entdecken. Wobei mir das nur am Donnerstag wirklich erfolgreich gelang: Von der Supperbude spazierten wir über die Reeperbahn zu den Landungsbrücken, um mit dem Linienschiff 62 nach Övelgönne zu schippern. Der Stadtstrand war auch für mich eine Neuentdeckung. Bei bestem Wetter, von dem man Ende September oft nur träumen kann, ließen wir uns durch den Tag treiben. Wellen lauschen, Schiffe gucken, im Sand stampfen. Was kann es schöneres geben, um für ein paar Momente abzuschalten, die Zeit - und das laute, bunte Treiben auf der Reeperbahn - zu vergessen. Zurück liefen wir am Fischmarkt vorbei bis zum Kumpir Wirt unseres Vertrauens (Schanzenstraße 95), wo wir gemeinsam mit meinem Mann unser Abendessen einnahmen ehe es für ihn zum nächsten Konzert ging.

So ganz ohne Musik kam ich bis Samstag aber auch nicht aus: Bereits am Mittwoch erlebte ich zwei kleine Highlights am N-Joy Reeperbus: We bless this mess aus Portugal weckte Erinnerungen an Bright Eyes, angenehme Stimme zur Akustikgitarre und eigentlich ließen nur seine Tattoos etwas von seiner Vergangenheit als Punk erahnen. Paul beobachte anschließend gespannt den Aufbau von Yes we mystic, neugierig musterte er die vielen Instrumente. Als ein Bandmitglied, das die ganze Zeit schon mit ihm spaßte, mit einem Tambourine auf ihn zukam, hatte er dann aber wohl seine Müdigkeitsschwelle erreicht und war nicht mehr für das gemeinsame Musizieren zu motivieren. Schade. Trotzdem eine sehr sympathische Geste und zusammen mit der großartigen Musik, die einen Vergleich mit Mumford & Sons nicht scheuen muss, bleibt mir die Band in bester Erinnerung.

Freitag gab Vivie Ann in der Kaffeerösterei Kopiba (Beim Grünen Jäger 24) ein kostenloses Akustikkonzert. Während es am Mittwoch am N-Joy Reeperbus doch sehr laut durch die Boxen dröhnte, genossen meine Ohren hier Musik in ihrer reinsten Form. Ein ganz wunderbarer Klang, perfektes Zusammenspiel von "Instrumenten", zu denen auch eine alte Schreibmaschine zählte, und Stimme. Noch dazu hervorragender Kaffee und Kuchen. Zurück in der Superbude bekam ich noch den Schluss von dePresno mit. Das klang gut und machte mich neugierig - so blieb ich noch und wartete auf Malky, der ebenfalls im Rahmen der Lemonaid Session in der Rockstarsuite auftrat. Seine Musik gefiel mir, schön akustisch. Zum Abendessen trafen wir uns dann noch mal mit den Männern bei der Pizza Bande (Lincolnstraße 10). Sehr leckere Pizza mit außergewöhnlichen Belegen (z. B. Funny Sunny mit Kichererbsencreme, Tomaten, Zucchini, Kürbiskernen und Petersilie-Basilikum-Pesto). Den Sonnenuntergang ließen wir dann noch am Hafen auf uns wirken. Hach.

Samstag war dann mein Tag! Das passte ganz gut, dass für meinen Mann an diesem Tag nicht so viele Highlights dabei waren - für mich umso mehr. Es fing mit Ben Caplan am N-Joy Reeperbus an. Vor 3 Jahren hatte er schon bei Folk im Park bleibenden Eindruck bei uns hinterlassen - diese Stimme vergisst man einfach nicht. Diesmal hatte er sogar seine Band dabei, wodurch es doch noch mal ein neues Klangerlebnis war. Weiter ging es in den Molotow Backyard. Dort trat Lilly amoung clouds auf, von der mir die Männer die ganzen Tage schon vorgeschwärmt hatten - mein Mann sah sie glaube bei 3 von 4 möglichen Auftritten?! Nun ja, sie hat eine tolle Stimme, keine Frage, und unbestritten eine süße Ausstrahlung. Mich hat ihre Musik selbst aber nicht so vom Hocker gerissen. Trotzdem würde ich sie mir in einem kleinen, akustischen Rahmen gern wieder anhören.

Der Molotow Backyard füllte sich, die Schlange draußen wurde immer länger, ohne dass etwas von Einlassstopp kommuniziert wurde. Uns konnte es an sich egal sein, da wir die Wartezeit im Molotow überbrückten. Trotzdem ärgerte es mich bei den kommenden Auftritten von Fil Bo Riva und Rhonda, dass ich mehr von den Gesprächen des Publikums mitbekam als von der Musik. Die ganze Zeit dieses Bienenschwarm ähnliche Getuschel, während draußen womöglich Liebhaber warten, die wirklich an der Musik interessiert sind. Trotzdem war es nett und allemal besser im Hinterhof den sonnigen Samstag Nachmittag zu verbringen statt in verrauchten Clubs.

An der frischen Luft ließen wir uns auch das Abendessen gegenüber im Schweinske schmecken. Ohne Zeitdruck im Nacken, denn mit AVEC in der Großen Freiheit stand der nächste Künstler erst um 19:20 Uhr auf dem Programm. Nach zwei Liedern meinte Dirk, dass sie ihn noch nicht so beeindruckt, dass er ein Album mitnehmen würde. Et voilà: Die nächsten Lieder überzeugten uns dann doch alle, wenn sie bei mir auch nicht so einen bleibenden Eindruck hinterließ. Danach stürzte ich mich in das Getümmel auf der Reeperbahn, um die Prinzenbar rechtzeitig zum Auftritt von Lina Maly zu erreichen. Leider war die Schlange sehr lang und als nur noch 10 Leute vor mir waren, kam die offizielle Meldung: Einlassstopp. Statt zu warten, machte ich mich lieber auf dem Weg zum nächsten Konzert im Bunker an der Feldstraße...

Wallis Bird war nämlich der Hauptgrund, weshalb ich mich für ein Tagesticket entschieden hatte. Schon immer wollte ich sie mal live sehen, aber bisher hatte sich nicht die Gelegenheit ergeben. Wie sehr hätte ich mich geärgert, wenn ich vielleicht noch fünf Minuten von Lina Maly mitbekommen, dafür dann aber beim Übel und Gefährlich vor verschlossener Tür gestanden hätte. So war ich überpünktlich und konnte Wallis noch beim Aufbau zu schauen. Sie macht der handgemachten Musik wirklich alle Ehre - zusammen mit ihrer Band kümmerte sie sich um alles selbst. Live spielte sie dann Musik aus ihrem neuen Album und erwähnte mehrmals, wie verliebt und glücklich sie gerade sei, und dass sich das auch auf dem Album wiederspiegeln würde, dass eher ruhig ausgefallen sei. Sie kam so authentisch rüber und zeigte wirklich wie viel Spaß sie hat, auf der Bühne zu stehen. Auch ihre Bandmitglieder versprühten diese Leidenschaft, wie eine große Familie. Besonders beeindruckend war es als sie ganz allein ohne Instrument auf der Bühne stand und das Lied "Home" darbot. Ein letztes "Pssst" drang durch das Publikum und schon war es still, jeder hörte ganz gebannt zu, was sie da von sich preisgab. Gänsehautmoment pur.

Bis zum nächsten Auftritt hatte ich wieder etwas Zeit, und trank mit meinem Mann noch einen leckeren Kaffee in der Kopiba - hochwertig gerösteten Kaffee um zehn Uhr abends trinken, das habe ich bisher nur an eben diesem Abend in Hamburg erlebt. Weiter ging es ins Knust zu Wintersleep. Ich kannte sie vom Namen her, aber nicht gut genug, um darauf eingestellt zu sein, dass ihre Musik doch eher dem Rock zugehörig ist. Es dröhnte durch die Boxen, ich verstand kaum ein Wort. Aber ich sah die Fans, die die Lieder an den ersten Tönen erkannten, insbrünstig mitsangen, vom Glück beseelt, ihre Lieblingsband aus Kanada endlich wieder live zu sehen. Und mit einem Mal konnte auch ich mich auf die Musik einlassen und sah es als willkommene Abwechslung.

Den direkten Bus zur Michaeliskirche verpasste ich leider knapp, holte mir dafür noch einen Döner - The Best one (Feldstraße 67) nennt er sich zurecht, denn nie zuvor habe ich es erlebt, dass Gemüse und Fleisch vorab gemischt werden, sodass man im Brot bei jedem Bissen von allem was hat und nicht am Ende nur noch Fleisch übrig ist. Mit dem Bus ging es dann zum Rödlingsmarkt und durch das nachts verlassene Geschäftsviertel zum Michel. Dort spielten The Villagers. Vielleicht wäre es egal gewesen, wer dort spielt. Diese Kulisse muss man einfach mal gesehen haben. Die zarte Stimme kam bei dieser Akustik wunderbar zur Geltung. Wieder ein wahrer Ohrenschmaus.

Anschließend machte ich den Fehler und nahm den Bus bis St. Pauli, weil ich nicht noch 10 Minuten auf den nächsten Bus warten wollte, der mich näher zur Großen Freiheit gebracht hätte. Nie wieder! Nachts um nachts halb eins die ganze Reeperbahn bis zur Großen Freiheit vorlaufen macht keinen Spaß! Nur Gegenverkehr und Gedrängel. Dabei wollte ich doch nur schnell zu Friska Viljor. Der Reeperbahnlegende! Zum 8. Mal sind sie wohl schon beim Festival - das merkte man auch am Publikum: Staunend sah ich die Menge jubeln, klatschen, mitsingen und wurde auch recht schnell angesteckt. Ein gelungener Abschluss des Festivals und nochmal ein Kontrast zum Konzert im Michel zuvor. Somit konnte ich auf einen wirklich abwechslungsreichen Abend zurückblicken: Ausdrucksstark, Rockig, Eindrucksvoll, Witzig - kurz: absolut lohnenswert.

Bei Friska Viljor traf ich dann auch wieder meine Begleiter, die zuvor kräftig bei Schmutzki mitgegröhlt hatten. Gemeinsam liefen wir durch St. Paulis Straßen zurück in die Superbude. Dort wurde mein Sohn am nächsten Morgen beim Frühstück in Ben Caplans Band aufgenommen. Hach, ich liebe diese Unterkunft, in der wir dieses Mal wohl eine der wenigen "normalen" Gäste waren. Nur den Cheesecake habe ich dieses Jahr vermisst, und tja, entspannt frühstücken lässt es dich mit 1 1/2 Jähriger Rennmaus auch nicht mehr. So lernt man am besten aus Erfahrungen. Wir legen nun erst einmal eine Pause ein und suchen ein Festival, das etwas besser mit der Familie vereinbar ist.


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