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2014/06/13

Rock im Park - Zeppelinfeld Nürnberg (06. - 09.06.2014)

Ich habe von Vornherein gesagt, dass Rock im Park nicht meins sein wird. Ich mochte das BootBooHook auf dem Faust-Gelände in Hannover, habe mich ins überschaubare Folk im Park verliebt und gehe ohnehin lieber auf kleinere Konzerte weniger bekannter Musiker. Rock im Park wird mir eine Nummer zu groß sein, dachte ich. Und Zelten kam sowieso nicht in Frage. Aber wenn ich schon so nah an diesem Festival wohne, wollt ich doch zumindest einmal dabei gewesen sein. Somit sicherten wir uns die Tickets zum Frühbucherpreis ohne zu wissen, wer neben den genannten Headlinern (Metallica, Kings of Leon, Linkin Park, Iron Maiden) noch spielen würde. Ohne zu wissen, dass die Temperaturen ausgerechnet am Pfingstwochenende auf über 30 Grad klettern würden.

Ich ging also mit gemischten Gefühlen hin. Vor allem war es die Neugier, die mich antrieb. Einfach mal den Kontrast zu sehen und sich 4 Tage am Stück komplett der Musik zu widmen. Immer mit dem Wissen nachts ins eigene Bett zurückkehren zu dürfen, in die saubere Dusche zu steigen, ein gesundes Frühstück auf dem Balkon zu genießen. (Es gab: Gurke-Kohlrabi-Minz-Smoothie, frischen Karotte-Banane-Apfel-Saft und den unverzichtbaren Bulletproof-Kaffee.)

Als wir Freitagabend am Dutzendteich ankamen und ich die ganzen Zelte drumherum sah, musste ich zugeben: Es hat was. Beim Verlassen des Geländes und als die Luft am nächsten Tag noch mehr stand, war ich aber froh nicht die Nacht dort zu verbringen. Zumal wir uns auch keinen Stress machten und die Anbindung einigermaßen gut war. Freitagnacht hatten wir den Sonderbus zwar knapp verpasst und liefen die drei Kilometer zum Hauptbahnhof zu Fuß, um den Nachtbus zu erreichen mit dem wir dann halb vier zuhause waren. Sonntag nahmen wir einfach die Fahrräder mit, um nach eins nicht mehr auf die Öffentlichen angewiesen zu sein. In einer lauwarmen Sommernacht von einem grandiosen Musikabend nach Hause zu radeln hat eben auch was.

Das Line-Up hatte mich zwar nicht ganz überzeugt oder sagen wir: Es war kaum eine Band dabei für die ich mir sonst eine Karte geholt hätte. Von den meisten kannte ich vielleicht ein, zwei Lieder und das war's. Aber das störte an den vier Tagen eigentlich kaum. Bei der Lieblingsband wäre ich über die kurze Spielzeit vielleicht enttäuscht gewesen - hier war es schön einfach überall mal reinzuschnuppern. Centerstage, Alternastage und Clubstage waren nah beieinander und so machten auch leichte Überschneidungen kaum was aus, erreichte man die jeweiligen Bühnen doch stets in weniger als fünf Minuten. Dort wurde sich dann ein schattiges Plätzchen gesucht, der Musik gelauscht, ab und an ein Blick auf die Leinwand geworfen und auf eine Abkühlung gehofft. Leider mangelte es die meiste Zeit an Schatten und Wasserstellen in der Nähe der Bühne. Schnell waren wir abgehärtet, legten uns auf den dreckigen Asphalt oder setzten uns auf die vermüllte Wiese.

Wenn ich den Spielplan durchgehe, bin ich überrascht wie viele Bands wir gesehen haben. Zu viele, um jede Einzelne in intensiver Erinnerung zu behalten. Es kommt mir vor als hätte ich Metallica vor zwei Wochen gesehen. Dabei spielten sie Freitagabend und waren auch echt gut. Ich fand es super, dass sie die Fans über die Setlist abstimmen ließen, hatte dann aber schon fast die Befürchtung, dass 'Whiskey in the Jar' nur beim Mainstream beliebt ist und vielleicht nicht gespielt wird. Aber als es dann soweit war, war ich glücklich und zufrieden. Während ich bei Metallica auf die Oropax verzichtete, weil damit alles so dumpf klang, wollte ich sie im Clubstage bei Rudimental nicht missen. Definitiv lieferten sie eine gute Show und wir schauten uns wieder ungläubig an als wir sahen wie die Leute abgingen - ähnlich erging es uns bei Nürnberg Pop mit Milky Chance. Bei Klangkarussell war ich begeistert, dass neben den DJ's auch Instrumente auf der Bühne zum Einsatz kamen. Wie man zu dieser Musik 'pogen' kann ist mir allerdings unklar.

Samstag bekam ich leider nur noch den Schluss von The Fratellis mit. Statt ein bisschen Zeit bei John Newman auf dem Centerstage zu überbrücken, bevorzugte ich es im Schatten zu sitzen - was für eine Hitze - und lauschte der Musik, die durch die Mauern rüberdrang. Weiter ging es mit Portugal the man, Jake Bugg, Rea Garvey, Kasabian und den großartigen Crystal Fighters. Live wirklich lohnenswert, auch wenn mir bisher nur drei Lieder wirklich zusagten. Voller Vorfreude ging es zu Mando Diao. Wie sehr hatte ich mir gewünscht sie mal live zu sehen. Meine Favoriten fehlten und insgesamt ging es zu schnell an mir vorbei. Muss nicht noch mal sein, aber besser als... 

Kings of Leon - die Enttäuschung überhaupt. Sie spielten ihre Platte(n) runter, interagierten überhaupt nicht mit dem Publikum. Nette Hintergrundmusik während wir amüsiert die Leute um uns herum beobachten - beim Flirten, Hüpfen, Fallen, Aufstehen, Tanzen, Lachen, Singen. "Mit dem letzten Lied haben sie's gerettet", meinte ein Festivalbesucher. Ja. Sex on fire war super. Aber da gehe ich lieber zu den Jetlags (Cover-Band aus Hannover). Die machen das tausendmal besser. Zuhause angekommen, schalteten wir noch in die Live-Übertragung von Rock am Ring. Ich staunte beim Anblick der Menschenmassen. Bei Rock im Park waren es nicht viel weniger, aber mitten drin im Geschehen kam es mir gar nicht so vor. Auch hatten wir meistens einen guten Blick auf die Bühne oder wenigstens die Leinwände, die links und rechts davon aufgebaut waren.

Der Sonntag begann mit den Kaiser Chiefs. Die hätten sie mal als Headliner am Vorabend bringen sollen. Machten viel mehr Laune. Alligatoah war dann so gar nicht meins ("Der hat am Anfang eine Gitarre zertrümmert. Bei Rock im Park! Das geht gar nicht!") Mit 'This ain't a scene, this is an arms race' brachten Fall out boy ein Stück Jugend zurück. Und We are scientist überraschten, weil sie echt gut rockten - bisher kannte ich eigentlich nur 'After hours', musste ich mir eingestehen. Die Fantastischen Vier versprühten super gute Laune auf der im Schatten der untergehenden Sonne gut gefüllten Centerstage - es war wirklich wie ein 'Tag am Meer' mit dem 'Picknicker'.

Dann die Überraschung: Linkin Park. Während ich bei den meisten Bands nur so ein, zwei Lieder kannte, war ich überrascht wie viele mir von Linkin Park bekannt vorkamen. Letztendlich hätten sie nur einmal "Hallo" oder "Danke" sagen müssen, um Kings of Leon vom Vorabend zu toppen - aber sie gaben so viel mehr. Ich spürte, dass sie richtig Lust hatten in Deutschland zu spielen - nicht nur wegen der Deutschland-Fahne, die das Mischpult schmückte - und wenn ich mich umsah, war mir auch klar, warum: Wir standen diesmal recht weit hinten, hatten aber einen guten Blick und um uns herum sangen gefühlt fast alle relativ textsicher mit und jubelten. Als sie gut eine halbe Stunde zu früh für ein paar Minuten von der Bühne verschwanden, wollten wir mehr davon und waren uns einig: "Wenn es jetzt schon vorbei ist, ist es schade, aber war trotzdem super gut." Aber sie kamen wieder und gaben noch mal alles. Die gute Stimmung wanderte dann weiter zu Jan Delay & Disko No. 1. Den höre ich an sich nicht so gern, aber euphorisiert von Linkin Park machte es zwischen all den gut gelaunten Menschen so viel Spaß: 'Im großen und ganzen haben wir alle Grund zu tanzen.'

Den Montag verbrachten wir die meiste Zeit auf dem Alternastage. Von Triggerfinger bekamen wir leider nur noch das Ende mit, was aber echt gut klang. Dann kamen Maximo Park, die gern hätten länger spielen dürfen. Wirklich gute Musik. Hätte ich im Nachhinein auch lieber als Headliner gesehen als die Kings of Leon. Als nächstes waren Haim dran. Auf ego.fm wird 'If I could change my mind' rauf und runter gespielt und ich kann es nicht mehr hören. Aber live sollen sie verdammt gut sein, hatte ich gelesen und wurde nicht enttäuscht. Die drei Schwestern haben alles gegeben und ich würde sie gern noch mal in voller Länge erleben. Die anderen Songs sind live (!) nämlich super.

Irgendwann lief dann ein stark tätowierter Typ über die Wiese. Nichts ungewöhnliches bei Rock im Park, aber es kamen Mädels zu ihm gelaufen und wollten ein Foto. Uns kam er irgendwie bekannt vor und dann klingelte es: "Das ist doch der von Crazy Town". Die beste Werbung, denn in dem Moment war uns eigentlich klar, dass wir dort hin müssen. Sehr sympathisch wie er sich unter's Volk mischte. Wie auch der Sänger von Milky Chance, die als nächstes dran waren. Ich staunte wie sich der Alternastage in der prallen Hitze füllte. Was für eine Bestätigung für die Jungs aus Kassel. Uns so plätscherten die Lieder dahin. Eingängige, aber trotzdem immer wieder gute Musik.

Bevor es zu Crazy Town ging, machten wir noch bei Left Boy Halt. Dort strömten alle zu einer der wenigen Wasserstellen und so unerträglich heiß es war: Das machte Rock im Park 2014 aus. Vielleicht noch ein wenig mehr als die Liebe zur Musik vereinte die Menschen dort der Wunsch nach einer Abkühlung. Wie sie alle mit ihren Bikinis und Badehosen über das Gelände liefen, an der Wasserstelle rumalberten und einander nass spritzten, hatte man das Gefühl auf einer riesigen Strandparty zu sein. Dazu Left Boy, der gut Stimmung machte. Der Remix aus 'Wonderwall', 'Jump Jump' und was auch immer noch alles dabei war, war echt cool gemacht.

Crazy Town spielten auf der Clubstage - die Tribünen oben wurden erst aufgemacht sobald im Innenraum alles voll war. Während ich das halbe Konzert an der Damentoilette unten wartete, wurde der Durchgang nach oben endlich freigegeben. Ich stürmte hoch und konnte noch ein paar Minuten direkt auf die Bühne schauen, von der aus auch eine der Haim-Schwestern das Konzert ansah. Es war zwar sehr kurz, aber die Jungs haben gut gerockt und überhaupt war ich durch diesen "exklusiven" Zugang total euphorisiert. Voller Freude ging es zu den Babyshambles. Überraschung: Pete Doherty lebt wirklich noch. Gut sah er nicht aus und ich würde im Nachhinein auch kein Geld für die Babyshambles ausgeben, obwohl die echt super Lieder haben, die ich früher so gern gehört habe. Schade. Also noch ein paar Minuten bei The Offspring die wichtigsten Lieder angehört. Bei Marteria gingen sie dann fast noch mehr ab als bei Jan Delay. Verstehen konnte ich das nicht, aber gut, vielleicht sind wir zehn Jahre zu alt. Und zwanzig Jahre zu jung für Iron Maiden.

Mein musikalisches Highlight war eindeutig: Woodkid. Vier Tage lang dachte ich: "Na gut, du kannst von einem riesigen Open-Air-Festival keine Akustik wie bei Caroline Keating erwarten. Selbst wenn die Künstler gute Stimmen haben, kommen sie durch die überdröhnenden Boxen eben einfach nicht zur Geltung." Am letzten Abend - beim letzten Konzert - wurde ich eines besseren belehrt: Absolute Stille und nur diese schöne Stimme. Wenig Surren der Boxen. Durch das Mystische hätte ich bei ihm eigentlich gedacht, dass auch er nicht viel mit dem Publikum interagiert. Aber er tat es. Und am Ende bedankte er sich mehrmals von ganzem Herzen. So sympathisch. Bei Woodkid stimmte einfach alles. Bei seinem Auftritt fühlte ich mich ein wenig wie im Freilichtkino und war froh weit hinten zu stehen, um die ganze Bühne im Blick zu haben. Durch die perfekt mit den orchestralen Klängen (!!!) abgestimmte Lasershow ein großartiger Abschluss des viertägigen Musikmarathons.

Wenn ich nun im Fernsehen die Wiederholung von Rock am Ring 2013 sehe, stelle ich wieder fest, was mir beim Line-Up 2014 am meisten fehlte: Deutschsprachiger Indie-Rock (Kraftklub!!!). Dafür hatten wir zumindest am Abend das bessere Wetter. Auch wenn es anstrengend war, hat es sich doch gelohnt. Alle Daheimgebliebenen kann ich beruhigen: Die TV-Übertragungen sind von der Klangqualität her so viel besser. Wenn man nur Musik hören will, kann man also getrost zuhause auf dem Sofa bleiben. Nur bekommt man dann das ganze Drumherum nicht mit:

Sei es ein mit 1 Liter Saft und Wasser gefülltes Tetrapack als pures Glück zu empfinden, oder einen kleinen Luftzug zu erhaschen, der einander an Amsterdam erinnern lässt. Unser liebstes Hobby neben dem Beobachten der lustig betrunkenen Menschen zur späten Stunde: Sprüche auf den Shirts zu lesen wie 'Ich bin so gut drauf, ich könnt kotzen' (der Typ passte einfach zu gut dazu) 'I prefer the drummer', auf pink in neongrüner Schrift 'Schwarz war leider ausverkauft' sowie Oberkeule, Langkeule und Gitarrenkeule, vorne mit jeweils einem Bild der anderen beiden und dem Spruch 'Haste die Beiden gesehen, dann sag mal Bescheid.' Der Hinweis auf dem Polizeiauto gibt auch gut wieder wie entspannt es zuging: "RIP 2014 Cool bleiben :-)".

Während ich einen letzten Blick auf die feiernden jungen Menschen warf, kam mir der Gedanke: für viele von ihnen ist es der Sommer ihres Lebens. Zumindest für den Moment. So viel Lebensfreude, Sorglosigkeit, Gelassenheit! Noch einmal so jung sein. Am Anfang hatte ich kein Verständnis dafür, wie man so viel Geld für ein Musikfestival ausgeben kann, um sich dann volllaufen zu lassen. Von Abend zu Abend sah ich aber weniger Alkoholleichen. Vielleicht hatte die Hitze bei vielen doch die Vernunft siegen lassen. Nichtsdestotrotz werde ich mich in Zukunft wohl mehr auf die kleineren Festivals konzentrieren. Dann sind die Chancen vielleicht größer, sympathische Menschen vom Vorabend auch am nächsten Tag wiederzusehen und sich nett mit ihnen zu unterhalten.

Rock im Park. Wir werden keine dicken Freunde, aber ich mag dich.

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