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2013/08/09

Kettcar - Serenadenhof Nürnberg (08.08.2013)

Wie oft ist mein Blick in den letzten Wochen auf all die Kettcar Poster gefallen, die in der Stadt hingen. Ein bisschen juckte es mir in den Fingern. Aber ohne Begleitung war meine Motivation nicht so groß. Seit 2009 habe ich Kettcar einmal im Jahr live gesehen. Jedes Mal dachte ich: Eine der besten Live-Bands Deutschlands. Aber auch: "Jetzt reicht es erstmal für die nächsten Jahre."

Wie bin ich nun doch zum Konzert gekommen? Das Grand Hotel van Cleef suchte wieder Flyerverteiler. Das hatte ich letztes Jahr schon mal gemacht und dafür einen Gästelistenplatz für die Kilians ergattert. Eine gute Möglichkeit zu einem Konzert zu gehen, wenn man noch mit der Entscheidung zögert. Denn: Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul.

Und so kam ich das erste Mal in die Nähe des Reichparteitagsgeländes am Dutzendteich, wo sich auch der Serenadenhof befindet. Hinter den Mauern konnte ich dem Soundcheck von Tim Neuhaus lauschen. Wenn nicht schon die Ersten vor dem Einlass gewartet hätten, hätte ich wohl keinen Schimmer gehabt, wo ich genau hin muss. Ich gesellte mich dazu und wartete darauf vom 'Merchandiser' abgeholt zu werden (ich war mal wieder viel zu früh und am Einlass sagte sein Name irgendwie keinem was), der mir dann die Flyer in die Hand drückte.

Und dann stand ich da und zweifelte. Da steht man also dumm rum und verteilt Flyer?! Nein, man steht dumm rum und wartet erstmal nur darauf, Flyer zu verteilen. Mit dem Warten kamen noch zwei 'Kollegen' für diesen Abend sodass ich zumindest nicht mehr allein dumm rumstand. Ich mag es nicht, nichts zu tun zu haben. So versuchte ich sogar dem E-Werk-Mitarbeiter zu helfen, das Thees Uhlmann Poster zu platzieren. Wirkliche Hilfe konnte er aber nur von seinen amüsierten Kollegen erwarten: "Nimm doch Klebestreifen." Warum einfach, wenn's auch kompliziert geht.

Mit dem Einlass verflogen dann schnell alle Zweifel: Ich fühlte mich in meinem Element. Das merkten auch meine 'Kollegen', die dauernd unglaubwürdig auf meinen Stapel schauten, der immer kleiner wurde, sodass ich ihnen mehrmals was abnehmen durfte. Unbewusst steckte vielleicht die Werbepsychologin in mir dahinter: Die meisten Menschen orientierten ihren Blick nach rechts - wo ich mich platziert hatte. Tim Neuhaus nahm übrigens auch einen Flyer - sehr nette Geste.

Dadurch dass jeder Besucher an uns vorbei musste, konnte ich jedes Band- und Mottoshirt betrachten. Überhaupt die unterschiedlichsten Menschen. Gut gelaunte, grimmige. Jüngere, ältere. Weibliche, männliche. Alles dabei. Und wie spannend war es die verschiedenen Reaktionen auf den Thees Uhlmann Flyer zu beobachten: Von Freudenschreien über 'schon bestellt' bis hin zu Stöhnen war alles dabei. Und wenn ich die Stöhnenden auf die Konzerte anderer GHVC-Bands aufmerksam machte, stöhnte sie wieder - mit einem kleinen Lächeln: "Jetzt hast du mich doch gekriegt."

Was mir negativ auffiel: Viele kamen weit nach dem Auftritt von Tim Neuhaus, manche erst kurz vor Beginn des Kettcar-Konzert. Das mal jemand dabei ist, der es zeitlich nicht eher schafft, ok. Aber so viele? Wenn ich Konzerttickets habe, möchte ich doch das Gesamtpaket. Es geht gar nicht darum, dass wir aufgrund des stetigen Andrangs Tim Neuhaus verpassten. Im Gegenteil: Als nicht all zu kommunikativer Mensch, bedeutet das Warten auf Vor- und Hauptband bei Konzertbesuchen ohne Begleitung meist Langeweile für mich. Das Flyerverteilen war ideal, um die Zeit bis zum Konzert sinnvoll zu überbrücken. Zumal wir Tim Neuhaus' Musik ja trotzdem hörten und es mir eben einfach wieder unheimlich viel Spaß machte, die Leute zu begrüßen, ihre Emotionen und Reaktionen zu beobachten sowie mit dem ein oder anderen ein bisschen rumzuschäkern.

Als nach der Umbaupause die Musik ausging, bekamen wir das ersehnte Zeichen vom Merchandiser, das so viel sagte wie: 'Ihr seid entlassen.' Das ließ ich mir nicht zweimal sagen und als die Band die Bühne betrat, die ersten Töne von "Deiche" erklangen - da wollt ich Luftsprünge machen, dass ich das wieder erleben darf. Gleich als zweites kam "Kein Außen mehr" - das Lieblingslied meines Freundes, der passenderweise gerade Pause hatte und am Telefon live dabei sein durfte.

Das Nürnberger Publikum war überraschend textsicher. Olli Schulz hat mit seinen Berichten über seine Konzerte in Erlangen Vorurteile geschürt, die sich bisher absolut nicht bestätigt haben. Besonders dem Keyboarder, Lars Wiebusch, sah man an, wie es ihn mit Freude erfüllte vor so einem begeisterten Publikum zu spielen. Egal ob ein Klassiker oder ein Song aus dem neuen Album gespielt wurde: Es wurde jedes Mal euphorisch gejubelt und aus vollem Herzen mitgesungen.

Nachdem das offiziell letzte Lied verstummte, dachte ich: 'Landungsbrücken raus' und 'Am Tisch' als Zugabe und ich bin rundum glücklich. Auf letzteres musste ich an diesem Abend verzichten, aber zu guter Letzt hieß es: "In Städten mit Häfen haben die Menschen noch Hoffnung". Was für eine gute Entscheidung diesen Song anstelle von 'Balu' zum Abschluss zu spielen. Es hat etwas von einem Feuerwerk - wohl weil beim zehnten Geburtstag tatsächlich Luftschlangen vom Himmel fielen. In Nürnberg waren es genau in diesem (!) Moment Regenfäden. Ich musste lächeln. Pures Glück.

Und doch blieb ich mit einem unbefriedigenden Gefühl zurück. Nicht weil es nicht gut war. Es machte einfach Lust auf mehr. Nach eineinhalb Stunden Kettcar komme ich wieder an den Punkt wie nach jedem Konzert. Es ist immer so verdammt gut und könnte für den Moment nicht besser sein. Die Auswahl der Songs aus allen bisherigen Alben ist auch hervorragend abgestimmt. Aber dann ist es mir manchmal doch wieder zu vorhersehbar. Da ich schon letztes Jahr hörte: "Das folgende Lied haben wir früher immer am Ende gespielt", war für mich klar, dass 'Balu' folgt. Insofern vielleicht doch mal zwei, drei Jahre verstreichen lassen. (Und dann sind sie nächstes Jahr wahrscheinlich doch auf irgendeinem Festival und ich denk' mir wieder: Oh, seid ihr gut! Immer wieder!)

Der Regen konnte mir im Übrigen nichts anhaben. Vielleicht hatte ich unbewusst nur deshalb keine Jacke mitgenommen, um einen Grund mehr zu haben mir endlich einen Kettcar Kapuzen-Pulli zu kaufen. Den hatte ich auch bitter nötig, hatte es sich doch ganz schön abgekühlt. Dennoch ist mir so ein kleines Freiluft-Konzert tausendmal lieber als überfüllte Clubs, wo man nach Sauerstoff ringt. Der Serenadenhof bietet zudem guten Regenschutz durch die stilvoll angebrachte Abdeckung.

Und auch wenn ich bei '48 Stunden' wieder eine Gänsehaut bekam und ganz leicht Tränen in den Augen hatte: Zum ersten Mal nach zweieinhalb Jahren brauche ich dieses Lied nicht mehr auf die Gegenwart beziehen. "Eine grenzenlose Liebe gegen die paar hundert Kilometer" gehört der Vergangenheit an! Wir haben es geschafft und so wartete zuhause der von der Spätschicht zurückgekehrte Mann auf mich. "So eine Chance kommt nie wieder."

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